Orgel-Lexikon

Begriffserläuterung

  Chorton: Kammerton: Die früher in der Kirchenmusik übliche Stimmtonhöhe von Instrumenten wurde als Chorton bezeichnet. Er stand bis ins 18. Jh. hinein im allgemeinen ½ bis 1 Ton über dem in der weltlichen Musik gebräuchlichen Kammerton. Chor- und Kammerton waren örtlich und zeitlich nicht einheitlich in ihrer Höhe und differierten und schwankte bis zu dem beträchtlichen Intervall einer Quarte und mehr. Erst im Jahr 1885 wurde auf einer internationalen Stimmtonkonferenz allgemein verbindlich die Stimmtonhöhe auf den Pariser Kammerton a´= 435 Hz festgelegt. Seit 1939 liegt er bei 440 Hz.


  Disposition: Umfang und Abstimmung der Register und Spielhilfen (s. Spieltisch) einer Orgel. Die Aufstellung einer geeigneten Disposition erfordert die genaue Kenntnis der klanglichen Eigenschaften der verschiedenen Register und ihrer Wirkung im Zusammenklang sowie die Berücksichtigung der raumakustischen Verhältnisse (Standort, Raumhöhe, Dämpfungsfaktor). Die Disposition umfasst insbesondere die Anzahl und Art der klingenden Stimmen (Register) so wie ihre Verteilung auf die einzelnen Werke und damit die Größe der Orgel. Sie ist bei Neubauten ein wichtiges Bestimmungsstück für die entsprechende Kostenkalkulation.


  Fußton: Das alte Längenmaß des Orgelbaues ist der Fuß. Die Längeneinheit des Fußes (´) ist allerdings örtlich und zeitlich nicht einheitlich definiert und schwankt zwischen 27,8 bis 32,5 cm. Die Register werden zwischen dem Mittelalter in ihrer Tonhöhe als Fußmaß angegeben, wobei als Bezugswert die Länge der größten und gleichzeitig tiefklingensten Pfeife im Register dient, die stets der Taste C zugeordnet ist. Die Tonleiter wird auf die Pfeifenlänge von den Ton C erklingen lässt und eine Länge von 8´ besitzt, aufgebaut und man nennt dieses Register dann ein 8´-Register. Analog verhält es sich mit dem 4´-Register, dabei ist die der Taste C zugeordnete Pfeife 4´ lang. Dieses Register klingt insgesamt eine Oktave höher als das 8´-Register, während alle Pfeifen eines 16´-Registers doppelte Länge aufweisen und eine Oktave tiefer klingen als die entsprechenden Pfeifen des 8´-Registers. Üblicherweise bewegen sich die Lagen der Register zwischen 32´ und = I/4´, wobei die Fußgrößen nicht ganzzahlig sein müssen. Heute wird das Fußmaß noch gebraucht, es gibt das engl. Fuß = 30,5 cm.


  Gebläse: wird oft als Lunge der Orgel bezeichnet und hat die Aufgabe, den Orgelwind zu erzeugen und über Windkanäle und Windladen die Pfeifen mit Luft bestimmten Druckes und entsprechender Strömungsgeschwindigkeit zu versorgen. Das einfachste Prinzip des Gebläses ist der Blasebalg. Dieser wurde bis ins 19. Jh. hinein verwendet und entweder mit der Hand oder mit dem Fuß bedient. Heute wird der Orgelwind durch elektrische Gebläse erzeug und in einem Speichergefäß (Windkessel oder Magazinbalg) gesammelt um unabhängig von Druckschwankungen zusein. Vom Magazinbalg wird bei Tastendruck eine entsprechende Luftmenge abgerufen. Winddruck und Windmenge können in diesem Prinzip weitgehend konstant gehalten werden. Das war in frühen Zeiten die Kunst des Bälgetreters, damit nicht Tonhöhe, Tonreinheit und Klangfarbe sich zu stark verändern und dadurch der Orgel einen wimmerigen Ton erhält. Wenn mehr Luft abgerufen wird, als zur Verfügung steht, spricht man von „Windstößigkeit". Die Abstimmung von Gebläse, Windfortleitungsteilen und maximal erforderlicher Luftmenge ist eine notwendige und wichtige Aufgabe des Orgelbauers.

Der Luftbedarf liegt je nach Pfeifengröße und Pfeifenzahl verschieden hoch, für eine Orgel mit 20 Registern ist er auf etwa 15 m³ je Minute anzusetzen. Im gegenwärtigen Orgelbau rechnet man im allgemeinen mit Winddruckwerten von 60 - 100 mm Wassersäule (mm WS).


  Gedackte Stimmen: Meist sind die Orgelpfeifen, d. h. die schwingenden Tonsäulen am Kopfende offen. Werden sie verschlossen, erhält man ein Gedacktregister. Die gedeckte Pfeife klingt gegenüber einer offenen gleicher Länge um eine Oktave tiefer und das Spektrum der Obertöne verändert sich und damit die Klangfarbe.
Diese Register dienen zur Abrundung, Färbung oder Aufhellung des Orgelklanges, d. h. der Zumischung von bestimmten Obertönen. Deshalb bezeichnet man sie auch als Mixturen. Je nach Zusammenstellung der Obertöne findet man Namen wie Scharf, Zymbel, Tertian u. a. Besonders hohe Obertöne enthalten Zymbelmixturen und manche in unserer Zeit entwickelte Mischregister , wo Frequenzen
(10 000 Hz und mehr) auftreten, die fast bis an die Hörbarkeitsgrenze reichen.


  Manual: Die mit Hand zu bedienenden Tasten der Klaviatur. Kleine Orgeln besitzen ein oder zwei, größere Orgeln bis 4 und mehr Manuale.


  Obertöne: Als Obertöne bezeichnet man die zu einem Grundton gehörigen und je nach Pfeifenart mehr oder weniger mitklingenden höheren Töne, die die Klangfarbe wesentlich bestimmen.
Der erste dieser Obertöne macht doppelt so viele Schwingungen je Zeiteinheit wie der Grundton, der zweite dreimal soviel, usw. Übersetzt man diese Verhältnisse in Frequenzen, Tonhöhen, Intervalle bzw. Fußtonhöhen, so ergibt sich eine Reihe, wobei als Grundton das C einer
8´-Pfeife mit einer Frequenz von 64 Hz zugrundegelegt ist. Bei flötenartigen dumpfen Registern sind Obertöne nur schwach vertreten, während diese bei heller prinzipalartiger Klanggebung entsprechend intensiver zur Geltung kommen. Das lässt sich durch die Pfeifengestaltung regeln. Obertöne können aber auch zusätzlich als selbstständige Register einem Grundklang zugemischt werden, wenn sie auf die jeweiligen Fußtonhöhen ausgelegt sind. So kann man z. b. zu einem
8´-Grundregister weitere Register, die auf 4´, 2 2/3´ oder 2 ´basieren und Obertöne zum 8´ darstellen, zumischen und den Klang dadurch wesentlich aufhellen. (s. gemischte Stimmen)


  Orgelpfeifen: Klangkörper, der mittels einer durch ihn geleiteten Luftströmung Töne erzeugt. Hierbei kann die zugeführte Luft entweder an einer scharfen Kante aufgerissen und zur Schwingung angeregt werden oder durch eine schwingende Metallzunge durch den Orgelwind erzeugt werden. Entsprechend unterschiedet man Lippenpfeifen (Prinzip Blockflöte) und Zungenpfeifen (Prinzip Mundharmonika). Ursprünglich gab es bei der Orgel nur Lippen- oder Labialpfeifen, erst im 15. Jh. sind die Zungen- oder Lingualpfeifen hinzugetreten. Auch heute noch machen die Labialregister den Hauptbestandteil des Pfeifenwerkes aus.

Die Lippenpfeife besteht aus Pfeifenkörper , -fuß, Ober- und Unterlabium, Kern und Kernspalt. Die Luft strömt durch die Öffnung des Pfeifenfußes, tritt durch den Kernspalt bandförmig und strömt gegen die scharfe Kante des Oberlabiums. Dort findet die Tonerzeugung (Schneideton) statt, wobei gleichzeitig die Luftsäule im Pfeifenkörper in Schwingung gerät und der eigentliche Pfeifton entsteht. Die Länge der schwingenden Luftsäule (Pfeifenkörperlänge) bestimmen die Tonhöhe, während die Abmessungen (Mensuren) von Pfeifendruchmesser, Labienbreite, Aufschnitte, d. h. Kantenspaltbreite sowie Winddruck (und damit durchströmende Luftmenge/Zeit) Klangstärke, Klangvolumen und Klangfarbe (Obertonteil) beeinflussen.
Für die Pfeifenherstellung war früher ein umfangreicher Erfahrungsschatz notwendig, heute können die Pfeifen auf dem Reißbrett entworfen werden, jedoch muss am fertigen Orgelobjekt und am Standort noch die Feinabstimmung der Pfeifen und der Register untereinander, d. h. die Intonation vorgenommen werden.

Bei der Zungenpfeife unterscheidet man aufschlagende und nichtaufschlagende oder durchschlagende Zungen. Bei der Mundharmonika schwingt die Zunge entsprechend ihrer Elastizität frei im Spalt. Bei der aufschlagenden Zungenpfeife schlägt die Zunge auf eine Metallunterlage auf und die Amplitude wird dadurch begrenzt, jedoch der Obertonanteil wesentlich erhöht. Klangfarbbeeinflussung und Klangverstärkung erfolgen durch zylindrische, trichterförmig oder anders geformte Schallbecher, die auf dem Pfeifenkörper aufgesetzt sind.


  Pedal: die mit den Füßen zu bedienende Tasten der Klaviatur. Pedaltasten und zugehörige Pedal-Register werden erst vom 14. Jh. an im Orgelbau verwendet.
Prospekt: Schauseite der Orgel, die von alters her künstlerisch reich ausgestattet worden ist, jedoch in der Barockzeit zu einem besonders bestimmenden architektonischen Glied in Bezug auf den umgebenden Raum gestaltet wurde.
Einen wesentlichen Teil des Prospektes stellen die Prospektpfeifen dar. Die sind meist klingend und mit besonderer Sorgfalt gearbeitet.


  Register: Die Zusammenstellung von Pfeifen verschiedener Länge und entsprechend verschiedener Tonhöhe aber gleicher Klangcharakteristik in einer bestimmten Tonabstufung (z. B. chromatische Tonleiter) nennt man Register. Jeder Pfeife des Registers wird durch eine bestimmte Taste des Manuals oder Pedals angesprochen und gesteuert . Die Anzahl der Register bestimmt Größe und Klangreichtum der Orgel.
Es gibt Register, die im Klangcharakter einer Flöte ähneln, deshalb die Bezeichnung Blockflöte, Hohlflöte, Waldflöte u. ä. Andere wieder, die dem Trompeten- oder Posaunenton nahe kommen. Auch den Streichinstrumenten ähnliche Register gibt es. Das wichtigste Orgelregister ist das Prinzipal, das dem Orgelklang Kontur und Stütze verleiht. Seine Klanggebung liegt in der Mitte zwischen weichem flötenartigen und scharfen streichenden Klang. Jede Orgel besitzt mindestens ein Prinzipalregister, das in höherer Lage auch als Oktave oder Superoktave bezeichnet wird, je nachdem es eine oder zwei Oktaven über dem Grundton (s. Obertöne) des entsprechenden Werkteils liegt.


  Registrierung: Addition und Mischung von Registern zum Zweck der Vorgabe von Klangstärke, Klangfarbe und Klangumfang der Orgel.


  Registertraktur: Teil der Orgel, der die Verbindung zwischen Registervorrichtung am Spieltisch und Schleife (s. Windladen) bzw. Registerventil (s. Ventil) herstellt. Je nach der Herstellung der Verbindung, spricht man von mechanischer, pneumatischer und elektropneumatischer Registratur oder Registertraktur. Die Register werden vom Spieler durch Registerzüge bzw. –hebel (bei mechanischer), oder durch Registerwippen (Kippschalter) oder –knöpfe (bei pneumatischer oder elektropneumatischer Registratur) bedient.
Registratur und Traktur wird oftmals auch zusammenfassend als Regierwerk bezeichnet.


  Spieltisch: Der Spieltisch nimmt Klaviaturen und Spielhilfen, (d. h. Registriereinrichtung und sonstige Steuer- und Anzeigevorrichtungen) auf, er ist der Arbeitsplatz des Organisten. Von hier aus übernimmt er mit Hilfe der Tasten seine Steuerbefehle über die Traktur zu den Ventilen und setzt damit den Klang in Gang bzw. stimmt ihn ab.
Es gibt Spieltische, die in das Gehäuse ein gebaut sind (bei mechanischer Spielübertragung) und auch frei an beliebiger Stelle des Raumes stehende Spieltische (bei elektronpneumatischer Traktur möglich). Heute ist der gesamte Spieltisch (Griffweite, Tastenabmessungen u. ä.) weitgehend nach arbeitsphysiologischen Gesichtspunkten standardisiert. In früheren Jahrhunderten war das nicht der Fall, deshalb bedarf es auch besonderen Trainings, wenn der Organist auf einer alten Orgel zu spielen hat.


  Traktur: Teil der Orgel, der die Verbindung zwischen Taste und Pfeifenventil herstellt und die Steuerbefehle der Taste auf die Ventile überträgt. Ja nach der Herstellung der Verbindung, spricht man von mechanischer, pneumatischer und elektrischer Traktur.
Die wichtigsten Teile der mechanischen Traktur sind: Frontleitungsteile (Holzgestänge, die auch Abstrakten genannt werden) und Umlenkteile ( z. b. Wellen, die drehbar auf einem Wellenbrett befestigt sind und an denen die Abstrakten angreifen).
Bei der pneumatischen Traktur wird der Orgelwind zur Steuerung der Ventile benutzt. Von den Tasten der Klaviatur gehen entsprechende Druckleitungen zu den Pfeifenventilen. Die Trägheit des Systems ist recht groß und die Gestaltungsabsicht des Organisten kann nicht immer voll zur Geltung gebracht werden. Die elektrische Steuerung setzt die Trägheit wesentlich herab, allerdings ist diese Traktur in Wirklichkeit immer elektropneumatisch, da die Übertragung zwar elektrisch ausgelegt ist, aber letztlich nur dazu dient die pneumatische Ventilbedienung an der Pfeife anzusteuern.


  Tremulant: Vorrichtung, die dem Orgelwind periodische Druckstöße aufprägt und dadurch dem starren Orgelton Schwebung und besonderen Ausdruck (d. h. Vibrato) verleiht. Der Tremulant wurde schon im Mittelalter gebaut und war besonders in der frühen Barockzeit sehr geschätzt. Die damals gebräuchliche Vorrichtung bestand aus einer im Windkanal schräg in Windrichtung aufgehängten Ventilklappe, die durch den strömenden Wind periodisch gehoben, aber durch angelegten Gegendruck (Feder) wieder gesenkt wird. Je nach Größe der rückführenden Kraft konnte die Schwebungsfrequenz verschieden ausgelegt werden. Wurden schnelle Frequenzen erzeugt, sprach man von einem „Bock", ein langsamer Tremulant hieß „schwache bebend stimm". Ein Tremulant wirkte meist nur auf ein Werk. Heute werden Tremulanten auch veränderbarer Frequenz gebaut.


  Ventil: die Ventile dienen dazu, den Zutritt des Orgelwindes zu den Pfeifen steuerbar freizugeben oder ihn zu sperren. Man unterscheidet Pfeifen- oder Spielventile, die den Wind zu den einzelnen Pfeifen durch den Tastendruck des Spielers steuern und Registerventile, die den wind zu einem Register über die entsprechenden Registertasten steuern (Anwendung vorwiegend bei pneumatischen Orgeln, s. Traktur)


  Werk: Der Begriff „Werk" stammt aus der Barockzeit. Damit wird ein in sich geschlossener, räumlich getrennt aufgestellter Baustein der Orgel mit eigencharakterisiertem Klangwerk und eigenem Regierwerk sowie eigener Windversorgung bezeichnet. Je nach der Stelle an der Orgel ein Werk untergebracht ist, spricht man von:

Größere Orgeln bestehen aus mehren Werken, es gibt aber auch (meist sehr kleine) Orgeln die nur ein Werk haben.
Der Werkorgeltyp entwickelte sich im 16. Jh. und wurde wesentliches Prinzip der Orgel des Hochbarocks. Bereits in der damaligen Zeit wurde also von der Technologie des Baukastenprinzips Gebrauch gemacht. Die einzelnen Werke waren klanglich unterschiedlich, aber aufeinander abgestimmt. Im 19. und beginnenden 20. Jh. trat der Gedanke der Werkorgel in den Hintergrund zu Gunsten einer dynamischen Abstufung der Manuale bzw. der dazu gehörigen Klangteile. Heute greift man das Werkorgelprinzip wieder auf, wobei neuerdings wieder Entwicklungstendenzen des 19. Jh. einbezogen werden.


  Windlade: Teil des Windleitungssystems, von dem aus der Wind unmittelbar in die Orgelpfeifen geleitet wird. Die Windlade der mechanischen Orgel ist im Allgemeinen in einzelne Kammern (Kanzellen) unterteilt, deren jede einer Tasten bzw. einem Ton entspricht. Zur Ansteuerung der Pfeifen sind hierbei zwei Übertragungssysteme notwendig:

Entsprechend der Registeranzahl ist pro Kanzelle eine entsprechende Pfeifenanzahl angeordnet.
Dieses System, das im Orgelbau des Barock breite Anwendung fand, wird als Schleifwindlade bezeichnet. Eine Windlade hat so viele Schleifen, als sie Register besitzt.
Bei werkmäßigem Aufbau der Orgel besitzt jedes Werk im Allgemeinen seine eigene Schleiflade, mitunter auch mehrere. Das Prinzip der Schleifwindlade findet heute wieder bevorzugt Anwendung, während andere Windladensysteme, die im 19. und beginnenden 20. Jh. erfunden wurden und der pneumatischen bzw. elektropneumatischen Traktur angepasst waren, gegenwärtig weniger gebaut werden.